Wie du mir, so ich dir – wie ich in Marokko zum Besitzer eines Esels wurde.
Am letzten Tag unseres Marokko-Trips wollten Julius und ich noch in die Wüste, um ein paar letzte Sideshots einzufangen. Wir hatten gehört, dass es dort Ziegen gibt, die auf Bäumen leben, und konnten uns das nicht wirklich vorstellen. Per Handy haben wir uns dann schlaugemacht und mit den Bildern auf dem Telefon versucht, einen Taxifahrer zu finden, der uns dorthin bringt – die meisten haben abgewimmelt, weil es zu weit sei. Irgendwann hatten wir aber doch noch Glück und haben einen gefunden, der uns dorthin bringen wollte, wenn wir ihn den ganzen Tag buchen. Gesagt, getan, wir haben also Danny und Mizze eingesammelt und sind um die 80 Kilometer weit gefahren, bis wir irgendwann eine Ziegenherde im Baum entdeckt haben.
Bei den Ziegen war noch ein junger Hirte, der anscheinend mit seiner Herde, einem Esel und einem Hund in der Wüste gelebt hat. Wir legten unseren Stuff an die Seite, weil wir dem Taxifahrer nicht unser komplettes Hab und Gut anvertrauen wollten – in meinem Rucksack befanden sich neben dem Kameraequipment auch mein Reisepass, mein Macbook und die komplette Footage der letzten zwei Wochen. Mitten in der Wüste macht man sich nicht allzu viele Gedanken darum und fühlt sich ziemlich sicher, weil ja weit und breit kein Mensch zu sehen ist, trotzdem hatten wir eigentlich die ganze Zeit ein Auge auf dem Stuff…
Danny fing irgendwann an, auf der Wüstenstraße zu pushen und ein paar Tricks zu machen, was ich als Motiv ziemlich spannend fand. Ich bin also hin und habe mit Julius ein paar Aufnahmen gemacht, bis mir der Gedanke kam, wir sollten unsere Rucksäcke da vielleicht nicht unbeaufsichtigt rumstehen lassen, man weiß ja nie. Als ich dann beim Baum ankam, war mein Rucksack weg. Ich habe überhaupt nicht verstanden, wie das passieren konnte und bin völlig ausgeflippt. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass der kleine Ziegenhirte es geschafft hatte, sich unbemerkt vom Acker zu machen – mein kompletter Stuff, die ganze Footage, alles weg. Vollkatastrophe. Ich hab dann versucht, mich zu beruhigen und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nur eine minimale Chance habe, aber unbedingt versuchen muss, den Jungen zu finden, der mit Sicherheit nicht an der Straße entlangläuft: Zwei verbleibende Himmelsrichtungen also.
Julius und ich haben uns aufgeteilt und sind in jeweils eine Richtung losgerannt, obwohl wir uns kaum Hoffnungen gemacht haben: Wir sind schließlich immer noch mitten in der Wüste, weit und breit niemand zu sehen. Jedenfalls war ich immer noch auf 180 und wollte wenigstens probiert haben, den Bengel zu finden. Ich bin gerannt, gerannt, gerannt, mutterseelenallein in die Wüste rein, es war superheiß, die Sonne hat gebrannt, und ich bin gelaufen, so schnell ich konnte, bis ich irgendwann echt nicht mehr konnte. An diesem Punkt war ich komplett fertig mit der Welt – psychisch und physisch, ich stand da allein in der Wüste und konnte nichts mehr. Irgendwie habe ich mich aber noch ein letztes Mal gezwungen weiterzugehen und erblickte dann tatsächlich am Horizont eine Ziege. So viele Ziegen wird’s hier in der Wüste wohl nicht geben, dachte ich mir, habe einen Stein aufgehoben und bin schreiend wie ein Wilder in die Richtung gerannt. Ich hatte richtig Glück, denn das war tatsächlich die Ziegenherde von diesem Typen, der mich dann auch entdeckte, kreidebleich wurde, den Rucksack ablegte und vor mir wegrannte, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Ich habe dann erst mal meinen Rucksack gecheckt, und zum Glück war tatsächlich noch alles drin. Mal ehrlich: Der Typ hätte den Rucksack nur unter einen Stein legen müssen irgendwo…
Als ich mich dann kurz erholt hatte und zwischen all den Ziegen stand, fasste ich den Entschluss, es dem Typen irgendwie heimzuzahlen – also hab ich mir kurzerhand seinen Esel geschnappt und hab den dann ohne groß nachzudenken hinter mir hergezogen, als ich mich auf den Rückweg machte. Unterwegs blieb ich alle zehn Meter stehen und habe mich verfolgt gefühlt, weil ich mir dachte, dass der Typ von meiner Idee bestimmt nicht besonders angetan war und jetzt eventuell mit seinen Freunden hinter mir her ist. Jedenfalls bin ich da herumgeirrt und konnte mich aber zum Glück an einem Gebirge orientieren. Schließlich bin ich mit dem Esel und einem Hund, der einfach hinter uns her lief, an die Straße gekommen, die ich dann noch mal ein paar Kilometer entlanggehen musste, bis ich irgendwann beim Taxi und den anderen Jungs ankam. Da stand ich dann also mit meiner Ausrüstung, einem Esel und einem Hund – die anderen konnten es nicht fassen. Der Taxifahrer wollte den Esel nicht im Auto mitnehmen und meinte, wir sollten ihn in der nächsten Stadt verkaufen, was uns allerdings auch zu blöd war. Wir warteten also auf Julius, der noch immer nicht zurück war. Wir hatten alle höllischen Durst und hielten einen Typen auf einem Mofa an, der gerade vom Wasserholen kam und tauschten den Esel kurzerhand gegen Getränke ein. Das war auf jeden Fall ein guter Deal für ihn – so ein Esel bringt auf einem marokkanischen Markt um die 250 Euro, wovon man in Marokko eine ganze Weile ziemlich gut leben kann…
Text: Daniel Wagner
Foto: Danny Sommerfeld