Obwohl ich schon über die Hälfte meines Lebens Skateboard fahre und fotografiere, mache ich nur äußerst selten Fotos, auf denen Skateboarding zu sehen ist. Das mag daran liegen, dass ich mich selbst eher als einen aktiven Skateboarder begreife, und nicht so sehr als Skateboard-Fotograf.
von Moritz Zeller
Wenn ich mit Freunden losziehe, verfolge ich selten einen Plan, habe meine Kamera aber meistens dabei. Nicht selten kommt es dann vor, dass jemand einen interessanten Trick probiert und ich die Möglichkeit habe, davon ein Foto zu schießen. Häufig kommt es auch vor, dass ein Trick zwar gefilmt, aber nicht fotografiert wird. Solche Situationen sind immer sehr angenehm, da ich mir in Ruhe eine interessante Perspektive suchen kann, ohne dass jemand auf mich warten muss. Diese spontane Herangehensweise hat wesentlichen Einfluss auf meine Bilder, da ich ohne Vorgaben oder bestimmte Richtlinien an das Foto herangehen kann.
Ich mag es, dem Trick Raum zu geben. Die gesamte Situation wiederzugeben ist für mich entscheidend, wofür der eigentliche Trick auch mal in den Hintergrund rücken darf. So ist nicht der Trick selbst, sondern vielmehr seine Kombination mit der Umgebung der ausschlaggebende Grund, ein Bild zu machen.
Besonders ansprechend finde ich Fotos, auf denen man einen altbekannten Spot auf neue Art und Weise entdeckt oder aus einer noch nie gesehenen Perspektive wiedererkennt. Ich finde es gut, wenn Skateboarding erst auf den zweiten Blick sichtbar wird und die alltägliche Straßenszene im Mittelpunkt bleibt.
Meine Aufmerksamkeit gilt also der unmittelbaren Peripherie von Spots, in der ich meine eigene Geschichte zu finden versuche. Der ursprüngliche Trick gewinnt an Bedeutung, indem er aus seiner natürlichen Umgebung gehoben und in einen größeren Zusammenhang gestellt wird. Das Auge des Betrachters wird, wenn auch nur für einen kurzen Moment, in seinen Sehgewohnheiten irritiert. Ich versuche so, mit der Erwartungshaltung des Betrachters zu spielen.
Auf diese Weise erfährt der Betrachter auch mehr über die Gegebenheiten vor Ort. Dieser „Zoom-out“ steigert auch den Informationsgehalt für Außenstehend, die auf einmal Bezüge zu ihrer eigenen Welt herstellen können und so möglicherweise ihr Interesse für Skateboarding entdecken.
Blunt to fakie:
„Diesen Spot haben wir eigentlich jahrelang direkt vor unserer Nase gehabt, sind aber erst vor Kurzem auf ihn gestoßen. Als ich an einem Wochenende zu Hause auf dem Land in Niedersachsen war und Fredo vom lokalen Dorfbahnhof abgeholt habe, ist er spontan durch das Loch im Zaun gestiegen und hat da unverhofft diese Miniaturrampe aus Beton vor sich stehen sehen.
Nach anfänglicher Spielerei, wurde aus einem schlichten Drop-in schnell ein Blunt to Fakie, was ein wirklich anspruchsvoller Trick für diesen Spot ist. Einerseits ist es schwer, überhaupt genug Schwung zu bekommen, andererseits muss man aufgrund der flachen Transition fast bis ins Flat poppen, um keinen Hang-up zu riskieren. Zu allem Überfluss fährt man schon kurz nach der Landung wieder die andere Seite der extrem schmalen „Trannie“ hinauf. Dies sollte jedoch kein Problem für Fredos schnelle Füße sein, die er sich über die Jahre in seiner selbstgebauten Minirampe angeeignet hat.
Der Staudamm Wallride:
Bei dem Wallride am Staudamm ist Fredo nach dem eigentlichen „Make“ ins Wasser gefallen, weil er den Trick noch einmal besser machen wollte. Da sich seine Lunge im kalten Wasser so zusammengezogen hat, musste er mit letzten Kräften und schweren, voll Wasser gesogenen Klamotten 20 endlose Meter bis an den Rand schwimmen.
Ich konnte nichts machen, da wir natürlich keinen Rettungsring dabeihatten und hätte ihm fast beim Ertrinken zuschauen müssen.So eine Situation will ich nie wieder miterleben müssen. Um überhaupt zum Spot zu kommen, habe ich ihn mit einem Seil an einer Mauer heruntergelassen. Ist die Frage, wie er überhaupt wieder hochgekommen wäre, ohne den Weg durchs Wasser zu nehmen…”