Fünf Jahre ist es nun fast her, dass Chris Pfanner sein letztes Interview auf unseren Seiten hatte. Fünf Jahre, in denen viel passiert ist – Pro Board, Signature-Schuhe und Jeans, unzählige Touren um den Globus, Umzug nach Deutschland und zu guter Letzt die Vaterschaft haben einiges im Leben des gebürtigen Österreichers verändert. Es war somit höchste Zeit, den Anti Hero Pro aufzusuchen und herauszufinden, wie er mit der neuen Lebenssituation umgeht und seinen Alltag auf die Reihe bekommt. Und eine Sache möchten wir hier im Intro schon mal vorab klarstellen: Auch wenn Chris ab sofort mehr Verantwortung übernehmen muss – sein Skateboarding wird uns noch lange erhalten bleiben. The Show must go on!


Pic: Maderer
Interview: Sebi Vellrath

Hi Chris, erst mal herzlichen Glückwunsch zum Kind. Warst du bei der Geburt dabei?

Ja klar, ich war die ganze Zeit dabei. Es war eine sehr lebensverändernde Erfahrung, wenn man sieht, was die eigene Frau dabei durchmachen muss. Allein schon die neun Monate mit dem dicken Bauch rumzulaufen, ist hart. Und dann kommt der große Tag und du siehst, was sie da für Schmerzen aushalten musste. Das ist schon krass. Ich habe den größten Respekt vor meiner Frau. Ich sehe sie jetzt aus einem ganz anderen Licht.

Kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe das ja auch am eigenen Leib erfahren dürfen…

Es fängt ja alles mit der Schwangerschaft an. Dann hat man nur die Geburt vor Augen, aber danach geht es ja erst richtig los – Das Stillen, Windeln wechseln, die schlaflosen Nächte. Ich muss echt sagen, die Anja meistert das sehr gut. Sie nimmt mir echt so viel ab, da ich durch mein Skateboarding natürlich immer noch viel unterwegs bin. Das ist echt der Wahnsinn, wie sie das macht. Ohne ihre Hilfe und ihr Verständnis könnte ich das gar nicht schaffen.

Wie hat sich dein Leben denn durch das Papa sein verändert? Fällt es dir jetzt schwerer auf Tour zu gehen?

Na klar, aber vorher war das auch nie einfach, meine Frau für längere Zeit alleine zu Hause zu lassen. Jetzt mit meinem Sohnemann ist das noch schwieriger, weil ich eine noch tiefere Verbindung aufgebaut habe. Aber von Luft alleine wird der Kleine nicht satt.

Packst du jetzt mehr Geld zu Seite und fährst wieder mehr Contest, oder wie?

Ne, in dieser Hinsicht hat sich bei mir nicht viel geändert. Ich habe auch vorher nicht viel Geld ausgegeben. Vielleicht hier und da mal ein Bier und eine Packung Kippen, aber da meine Reisen und Klamotten von meinen Sponsoren finanziert sind, habe ich nie unnötig viel Kohle auf den Kopf gehauen. Mehr brauche ich auch nicht. Auf diese Weise war ich schon gut vorbereitet auf unser Baby.


BS 180, Pic: Wagner

Kannst du etwas Geld zu Seite legen als Pro für einen Amibrand ?

Für mich war es schon immer eine Win/Win-Situation, weil ich mein Geld mit etwas verdiene, was mir Spaß macht und nicht als Arbeit vorkommt. Von daher hatte ich nie den Gedanken, dass ich viel Geld brauche. Ich bin super zufrieden – Meine Familie hat ein Dach überm Kopf, bekommt was zu Essen und wir können ab und zu mal einen gemeinsamen Urlaub machen. Das reicht doch völlig aus. Darüber hinaus mache ich mir gerade keine Gedanken.

Deine Freundin hat im Monster Interview total von dir geschwärmt. Ich gebe dir hier die Möglichkeit uns zu sagen, was du an ihr so schätzt.

Wir sind jetzt genau sieben Jahre zusammen. Ohne die Anja wäre ich niemals so weit gekommen. Ich mache meine Sachen so gut es geht und sie hat mir über die letzten Jahre immer den Rücken gestärkt. Sie nimmt mich mit all meinen Macken und akzeptiert mich so, wie ich bin. Wir sind über die Jahre zusammengewachsen und ich liebe sie dafür, dass sie immer für mich da ist. Ohne sie wüsste ich nicht, wo ich jetzt wäre.

Heutzutage gibt es ja nicht mehr so oft Paare, die lange zusammen sind, weil viele sich beim ersten Zoff direkt trennen und denken, dass da jemand besseres kommt.

Wir haben so viel zusammen durchgemacht und geschafft und das wirkt sich auch auf alle anderen Dinge in unserem Leben aus. Man fängt eben etwas an und zieht das dann durch.

Wie teilt ihr das denn auf mit dem Aufpassen?

Wir stehen ja erst am Anfang, aber im letzten Jahr habe ich schon geschaut, dass ich viel zu Hause bin und Anja unterstützen konnte in der Schwangerschaft. Ich gucke, dass ich meine Zeit jetzt besser einteile und wirklich darauf achte, zu trennen, was wichtig und unwichtig ist. Ich will natürlich so viel Zeit bei meinem Sohn verbringen und sehen, wie er wächst, aber wie ich schon vorher gesagt habe: The show must go on. Nur weil ich jetzt ein Kind habe, bedeutet es ja nicht, dass ich meinen Traum nicht weiter verfolge.


BS Lipslide, Pic: Maderer

Gibt es eigentlich Druck seitens deiner Sponsoren, dass du bestimmte Deadlines für Parts, Fotos und Ads einhalten musst?

So etwas wie Druck spüre ich da nicht. Ich wollte es aber auch immer so behalten, dass mir keiner wirklich was sagen kann. Ich gehe einfach viel Skaten und wenn jemand ein Bild braucht oder so, gucke ich das ich etwas auf Tasche habe. Ich versuche immer produktiv zu sein und meine Sponsoren zufrieden zu stellen, denn von denen kommt ja auch die Miete.

Bekommst du von deinen Sponsoren eine besondere ärztliche Versorgung, damit du im Verletzungsfall schnell wieder fit bist?

Ich habe jetzt kein spezielles Versicherungspaket oder ein besonderen Arzt, zu dem ich gehen kann. So weit sind wir im Skateboarding noch nicht. Aber ganz abgesehen davon, achte ich sowieso auf meine Gesundheit und versuche fit zu bleiben. Auch ohne den Sponsorenrummel möchte ich für mich einfach gesund bleiben, denn ich will ja auch mit 50 noch mein Board anschubsen können, hehe. Gut versichert bin ich natürlich auch. Die letzten paar Monate hatte ich mich mit einem Knöchelproblem zu kämpfen und habe das nicht richtig auskuriert. Dann war ich bei King of The Road und bin am zweiten Tag direkt wieder umgeknickt. Verletzungen gehören irgendwie dazu. You gotta pay to play. Aber ich habe gelernt, dass man seinem Körper Zeit geben muss, um zu heilen.

Erzähl doch mal eine verrückte Geschichte vom KOTR!

Ich war mit TNT, Robbie Russo, Frank Gerwer und Andrew Allen für Anti Hero unterwegs. Unser Teammanager war Andy Roy dabei und sogar John Cardiel und Julian Stranger waren dabei. Es sind echt viele verrückte Sachen passiert. Wir sind in Portland, Oregon, gestartet und das Creature Team hatte die Aufgabe, uns das Aufgabenbuch zu klauen. Wir kamen dort an und die Jungs kannten dort Mädels, die sie uns auf den Hals gehetzt haben. Die sind mit auf unser Hotelzimmer gekommen und um Mitternacht haben wir unser Buch aufgemacht. Gegen ein Uhr sind die Mädels dann abgehauen und unser Buch mit ihnen. Ich bin dann gleich losgerannt mit Frank Gerwer und wir haben uns auf das Auto der Chicks geworfen. Frank ist direkt von der Motorhaube gefallen. Ich bin mit den Mädels noch durch halb Portland gefahren und konnte zum Schluss unser Buch zurückgewinnen. Ja, so hat der Trip begonnen. Das war schon crazy.

Apropos Thrasher Magazine. Du bist ja ziemlich down mit Jake Phelps. Was ist das eigentlich für ein Typ?

Ich habe großen Respekt vor dem Phelpher. Er ist ein cleverer Kerl und hat richtig viel auf dem Kasten, aber er macht halt oft nicht den Eindruck, weil er letztendlich auch ein Punk mit Anti-Haltung ist. Aber manchmal haut er abends an der Bar ein Statement raus, bei dem du nicht erwartet hättest, dass sowas smartes von ihm kommt. Wenn er ein Idiot wäre, könnte er auch nicht das Magazin so gut führen wie es gerade läuft. Tief in ihm drin schlummert ein sehr weiser Mann.


Tailslide, Seq: Maderer

Die Anti Hero Crew verschafft bei mir irgendwie den Eindruck, als ob die Jungs gerne Party machen…

Es ist bestimmt nicht heftiger als bei anderen Companies. Sobald man sein normales Umfeld verlässt, ist man einfach aufgeregt und gehyped. Und da passiert es natürlich schnell, dass aus ein zwei Bierchen mehr werden und schwups – siehst du die Sonne wieder aufgehen. Aber die beiden Tonys (Trujillo und Miorana, Anm. d. Red) sind auch Väter und Julian Stranger ist nicht mehr der Jüngste, insofern sind wir nicht unbedingt die krasseste Partycrew. Das kommt eben oft so rüber, aber ich glaube nicht, dass wir schlimmer sind als ein anderes Team, das auf Tour geht.

Du bist ja oft in den Staaten. Wie sieht so ein Mission-Tag bei dir aus und was ist der größte Unterschied zu Skaten in Deutschland?

Es ist jetzt nicht viel anders als hier. Man organisiert einen Fotografen und einen Filmer und trifft sich. Wenn du in Südkalifornien wohnst, kann es dann mal passieren, dass drei Filmer da sind und ein Fotograf. Aber generell sind die Leute dort mehr angespornt, weil die Industrie dort sitzt und mehr Geld fließt. Hier in Deutschland können die Skater langsam zwar auch davon leben, aber die meisten müssen noch einen Nebenjob machen. In Amerika ist Skateboarding ein Vollzeitjob. Letztendlich ist es Skateboardfahren und das ist überall gleich. Man hat einfach eine gute Zeit mit der Truppe.

In welcher Stadt bist du denn untergebracht bei deinen USA Trips?

Wenn ich mit Vans oder Volcom zu tun habe, dann in Los Angeles, denn dort sind die Headquarters. Wenn ich mit Deluxe zu tun habe, dann in San Francisco. Ich muss schon sagen, dass mir San Francisco am Besten gefällt, weil es sehr europäisch ist. Es ist eine kleine Stadt, man kann vor die Haustür gehen und direkt lospushen. In Los Angeles brauchst du unbedingt ein Auto.

Wie findest du eigentlich Street League? Reizt es dich da mal mit zu fahren?

Wenn ich ehrlich bin, muss ich schon sagen, dass mein Skating etwas ganz anderes ist, als das was die Leute bei Street League treiben. Die meisten Fahrer da haben ihre eigenen Training Facilities und üben in denen ihre Tricks bis die sitzen. So skate ich halt nicht. Ich will einfach nur so schnell wie es geht von A nach B fahren. Mit Ollies dazwischen und wenn es gut läuft, auch mal Kickflips. Aber Street League gehört heutzutage zum Skateboarding dazu. Es ist doch auch schön, dass Skateboarding diese zwei Seiten hat. Die Leute können trainieren oder einfach nur aus Spaß fahren. Durch solche Events wird halt ein breiteres Publikum erreicht und da wir davon leben, profitieren wir irgendwie auch davon, jedenfalls wenn mehr Geld fließt. Aber um deine Frage zu beantworten – wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich da sicher hingehen und mitfahren.

Vielleicht musst du dann auch mal ein paar Nollie Flips machen…

Ich probiere ja andere Tricks, aber ich versuche bei meinem Skaten immer in Bewegung zu bleiben und da mache ich eben „meine“ Tricks gerne, weil ich die sicher kann und dann flowt es gut ab. Klar inspiriert mich das, wenn jemand ein dickes Gap mit einem Switch Flip klärt und ich gehe dann auch raus und versuche den Trick. Aber wenn ich dann zu lang daran rumkrampfe, denke ich mir „hey, da mache ich lieber meine Standard Tricks, die fühlen sich gut an und klappen immer“. Das zaubert mir dann einen Smiley ins Gesicht.

Wolltest du eigentlich unbedingt Skatepro werden oder hat es sich einfach so ergeben?

Es hat sich einfach eingeschlichen mit der Zeit. Ich habe die Yama Crew kennengelernt und durch die bin ich aus Bregenz rausgekommen. Dann kamen die Etnies Cups und anderen Contests, es lief halt ganz gut. Ich habe trotzdem erst mal meine Ausbildung fertig gemacht. Danach bin ich mit dem Geld, was ich bei den Contests gewonnen habe nach Barcelona gegangen. Und genau da hat sich dann eins nach dem anderen ergeben und nun bin ich halt hier.

Es gab keinen Moment, in dem du dir dachtest: „Ich setz jetzt alles auf ein Karte“ ?

Nicht wirklich. Ich wurde irgendwann in die USA eingeladen und bin da rüber, wo auch die Frage aufgekommen ist, ob ich dort hinziehen würde. Anja und Ich haben es auch versucht, waren eine ganze Weile drüben, aber irgendwie war das nicht unser Ding. Wir brauchen beide die Nähe von der Familie und unseren Freunden. Das wollten wir nicht aufgeben für etwas, bei dem man nicht sicher sein kann, ob es morgen noch genau so läuft.


Lipslide, pic: Wagner

Du hast eben gesagt, dass du eine Ausbildung gemacht hast. Welchen Beruf hast du gelernt?

Ich habe eine Ausbildung zum Informatiker gemacht. Das ist jetzt aber schon sieben Jahre her. Also wenn ich da heute wieder einsteigen wollte, müsste ich bestimmt noch ein paar Fortbildungen machen. Die Basics habe ich auf jeden Fall noch drauf, aber das Wichtigste ist, dass ich den Schein habe. Heutzutage ist es wichtig, dass man etwas in der Hand halten kann, schwarz auf weiß. Ich habe übrigens gerade noch etwas Neues angefangen – Wirtschaftspsychologe per Fernstudium. Ich bin sehr dankbar für alles, was ich durch Skateboarding habe, aber ich möchte mich nie das Gefühl haben, 100% davon abhängig zu sein. Wenn es so wäre, würde ich so unter Druck stehen, dass ich durchdrehen würde. Es ist einfach gut zu wissen, dass ich auch etwas anderes im Leben machen könnte.

Was machst du sonst so neben dem Skaten?

Ich fotografiere gerne. Jetzt mit meinem Sohn habe ich ja immer das perfekte Motiv. Ich interessiere mich zudem fürs Zeichnen. Ich habe mir letztens so ein Einführungsvideo angeguckt, wie man Kinderbücher malt. Ich bin total fasziniert davon, besonders jetzt, wo ich selbst ein Kind habe. Bilder zu malen, in denen Emotionen oder Bewegung stecken, finde ich eine coole Sache. Mal sehen, wo mich das noch hinführt.

Willst du nach dem Skaten vielleicht doch in der Skateindustrie bleiben? Könntest dann ja auch Graphics malen für Anti-Hero…

Ich weiß gar nicht, ob es für mich jemals ein Leben nach dem Skateboarding geben wird. Es ist halt mein Leben – mit oder ohne Sponsorenrummel. Auch ohne die Sponsoren würde ich Skaten genau so betreiben, wie ich es jetzt mache. Ich könnte mir vorstellen, später auch im Skateboarding involviert zu bleiben. Ich hatte ja das Glück bei Vans einen Einblick ins Schuhdesign werfen zu dürfen und jetzt arbeite ich mit Volcom an einer neuen Jeans. Das ist alles sehr spannend für mich und ich lerne immer etwas Neues dazu. Und solange man weiter wissbegierig bleibt, erweitert man sein Spektrum und am Ende kann man sich dann aussuchen, was man gern machen will.


5-0, Pic: Wagner

Wo siehst du dich in 10 Jahren?

Hoffentlich habe ich mein Studium einigermaßen abgeschlossen, vielleicht ein zweites Kind, glücklich verheiratet und immer noch Skateboard fahren. Wenn es so kommt, bin ich der glücklichste Mensch der Welt.

Chris, vielen Dank für das Interview und alles Gute für dich.

Ich bedanke mich bei euch, meiner Familie, Freunden und allen Sponsoren.

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