Diese Rampe ist mehr. Und nicht nur aus dem Grund, dass sie uns am Abend ihrer Einweihung etwas bot, das Barney später als „die mit Abstand beste Skatesession, die ich je in einer Transition mitfahren durfte“ bezeichnen sollte. Sie ist lebendige Auseinandersetzung mit Architektur, gebaute Systemkritik und nicht zuletzt Produkt einer tieferen Reflektion der Natur Skateboardings.
 Aber langsam, beginnen wir von vorne…

Was ist Skateboarding eigentlich? Dass es eine besondere Rolle innerhalb des Kosmos der Zeitvertreibung einnimmt, leuchtet unmittelbar ein. Doch wo liegt nun dieses Besondere? Betrachten wir Skateboarding einmal losgelöst von Industrie, Wettbewerb und Trend, als einfache Praxis der Bewegung im öffentlichen Raum auf vier Rollen. 
Wie kaum eine andere Aktivität steht Skateboarding in direktem Bezug zu dem Raum, der uns, ganz egal wo wir leben, gerade umgibt. Am Beispiel des Verhältnisses zwischen Architektur und Skateboarding wird diese besondere Beziehung deutlich. Wo für die meisten Menschen die Betrachtung von gebautem Material mit ästhetischen Urteilen endet, setzen wir Skateboarder an und gehen dem öffentlichen Raum gewissermaßen unter die Haut.


Stevie Schmidt – Ollie to fakie

Skateboarding versteht Architektur nicht als bloße Ansammlung von gebauten Objekten, für den Skateboarder ist sie vielmehr eine Fülle imaginierter Möglichkeiten. Man kann durchaus sagen, dass Skateboarding die Welt und gerade die vielfältigen Möglichkeiten von Architektur, neu denkt. Wer hat nicht in seiner Schulzeit einmal im Kopf die Lücke zwischen Pult und Schulbank als machbar eingestuft? Jeder von uns war sich schon einmal während eines Pflichtbesuchs in der Kirche sicher, dass der Altar sicherlich gut grinden würde. Unsere Wahrnehmung des öffentlichen Raumes ist von dem Drang gesteuert, neue Möglichkeiten innerhalb unserer gebauten Umgebung ausfindig zu machen. Dieser Umgang Skateboardings mit Architektur befreit sie von ihrem statischen Korsett und transformiert sie somit zu etwas neuem. Die Stadt wird rekonzipiert als ein Raum in ständigem Wandel, ein Raum des aktiven Ideenflusses. Es ist, als hätten zwei Jahrhunderte technischen Fortschritts unabsichtlich einen zementenen Spielplatz von schier unfassbarem Ausmaß geschaffen.

Opening:

Und wir Skateboarder sind es, die diesen Spielplatz exklusiv wahrnehmen und ihn im Prinzip durch die ständige Zweckentfremdung von gebautem Material erst entstehen lassen. Dadurch kommt uns eine Sonderrolle innerhalb der Gesellschaft zu. Wir leben zwar in der selben Welt wie all die anderen, soviel ist klar, aber dadurch, dass wir diese Welt auf eine ganz eigenständige Art und Weise interpretieren, stehen wir doch stets ein Stück abseits der gesellschaftlichen Norm. Wir verneinen diese sogar auf eine gewisse Art und Weise. Indem Skateboarding nämlich gelebte Bewegungs- und Deutungsfreiheit im öffentlichen Raum ist, stellt es sich aktiv der Auffassung gegenüber, dass gebaute Flächen Eigentum einer Allgemeinheit seien, die anhand eines gesellschaftlichen Konsens über die Art ihrer Nutzung entscheidet. Als Skateboarder brechen wir eben diesen gesellschaftlichen Konsens auf und fügen in die so entstande Leerstelle unsere eigene Sicht der Dinge ein. Wir nutzen die Gegebenheiten auf unsere Art und leben so etwas, das selten geworden ist: Freiheit.
Skateboarding in seiner puren Form ist also antiautoriär und ich glaube, dass dies nicht zuletzt seinen Reiz ausmacht.



Lars Noll – Bs Bluntslide

Ausgehend von dieser Freiheit von gesellschaftlichen Normen lässt sich ein weiterer Aspekt ausmachen, der Skateboarding zu etwas besonderem machen könnte.
Es verneint nämlich materielle Produktivität. In einer Welt, in der am Ende einer jeden Aktivität ein Ergebnis im Form eines finanziellen oder materiellen Gewinns stehen sollte, könnte Skateboarding das Gegenteil darstellen. Es produziert nicht, es verbraucht. Man könnte danach sagen, dass Skateboarding eine, nunja, anti-kapitalistische Praxis sei. Nun formuliere ich diesen Punkt bewusst vorsichtig. Man muss nicht besonders hellsichtig sein, um zu sehen, dass Skateboarding längst seinen festen Platz innerhalb des gesellschaftlichen Mainstream gefunden hat. Dennoch trägt Skateboarding einen Geist in sich, der auch den nächsten Flirt mit dem großen Geld überleben wird. Oder besser gesagt, der es wert sein sollte, diesen zu überleben. Auf seine eigene Art untergräbt es nämlich im Kern die allgegenwärtige marktwirtschaftliche Ordnung der Gesellschaft und stellt an deren Ende ein rein immaterielles Gut: Freude, Kreativiät, Freundschaft und Selbstverwirklichung. Dies ist etwas, dessen man sich bewusst sein sollte. Ich schreibe diesen Text nicht, um jemanden zu missionieren, ihm meinen Blickpunkt auf Skateboarding aufzudrängen.


Sergej Vutuc

Es geht vielmehr um einen Aufruf zur Reflektion Skateboardings. Man sollte sich bewusst machen, was man mit dieser Aktivität eigentlich tut. Welche Insel innerhalb einer durchstrukturierten Welt Skateboarding darstellt, ein Refugium der ganz besonderen Art. Dieses Brett mit vier Rollen gibt uns täglich die Möglichkeit, den Strand unter dem grauen Pflaster neu zu entdecken. Man sollte diese Besonderheit bewusst nutzen, damit aus der potenziellen Energie eine kinetische wird.

Und eben diesen Ansatz verfolgt die Rampe.
 Sie ist die künstlerische Verarbeitung eines tiefgehenden Blicks auf Skateboarding und möchte durch ihre ungewöhnliche Herangehensweise neue Sichtweisen eröffnen. 


Weiter ist sie ein Abbild dessen, zu was Skateboarding uns befähigt. Wir sehen in einem alten Schwimmbecken den perfekten Platz für eine dreieckige Rampe, die, im Grunde genommen, in ihrer Form in direktem Bezug zu einem Schwimmbecken steht. Und dennoch etwas neues darstellt.
 Damit wird ein Ort geschaffen, an dem Skateboarding zu seinem Ursprung zurückgeführt und unmittelbar erfahrbar gemacht. Denn ebenso wie in die Gesellschaft, so können sich auch in den Mikrokosmos Skateboarding starre Strukturen einschleichen, die ihrerseits durch neue Formen aufgebrochen werden müssen. Die Sache muss in Bewegung gehalten werden. Das ist Skateboarding wert. Dies ist eine Herausforderung, ebenso, wie diese Rampe zu skaten. Und das macht Spaß.





Text: Dennis Pohl
Pics: Tobi Haussmann

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