„Skateboarding in Munich is soo hot right now“, lautet ein Satz, der letztes Jahr auf dem Blog eines Münchner Locals zu lesen war. Es ging darum, wie sich München in den letzten Jahren in Bezug auf Skateboarding verändert hat. Zwei bekannte Münchner Skateboarder hatten sich gerade von schweren Krankheiten erholt. Ein anderer war mit den Besten der Welt den Street-League-Contest bei den X-Games mitgefahren. Ein paar Münchner Young Guns und alte Veteranen bekamen plötzlich Check-outs sowie Interviews in diversen Mags im In- und Ausland.
Kurz gesagt: Das Interesse an Skateboarding in München war deutlich gestiegen. Eine neue Crew hatte mit einem Video für viel Aufsehen gesorgt, und mittlerweile skaten alle wieder miteinander, ohne den anderen ans Bein zu pissen. Ein neuer Core-Shop hat in der Stadt aufgemacht und funktioniert wunderbar neben den beiden „Mall-Shops“. Es gibt jetzt auch einen Skateboard-Verein, und die Zeichen stehen gut, dass wir in ein bis zwei Jahren eine Halle bekommen. Wie gesagt, Skateboarding in München ist „soo hot right now“.
Skateboarding verändert sich stetig. Von leeren Backyard-Pools in den Siebzigern zum Vert-Skating der achtziger Jahre. Die große Street-Revolution in den Nineties und der riesige Boom nach Tony Hawks Pro Skater in den Nuller-Jahren. Mittlerweile ist Skateboarding ein Riesengeschäft. Wenn eine Firma einen auf cool machen will, dann kannst du dir sicher sein, dass jemand dumm grinsend ein Deck ins Bild streckt. Skate-Klamotten und -Schuhe bekommt man mittlerweile nicht nur im Local-Skateshop, sondern online nahezu überall, ganz ohne lokale Unterstützung der Szene. ESPN überträgt Skate-Contests live im Fernsehen.
Gott sei Dank ist das nicht der einzige Aspekt von Skateboarding. Immer mehr Pro-Skater setzen ihre eigenen Ideen um und gründen eigene Firmen, machen Boards, Klamotten, Zines, Mags, Shops, Skateparks. Meist gut durchdacht und mit Liebe zum Detail unterstützen sie die lokale Szene oder setzen weit über die Landesgrenzen hinaus Akzente. Sie sind gut vernetzt und man kann über das Internet schnell kommunizieren. Das funktioniert gut. Weltweit.
Auch in München vollzieht sich die Evolution von Skateboarding durch die Jahrzehnte. Dem ersten Skatepark Deutschlands, den Pfanni Hills, folgen weitere Parks in verschiedenen Stadtteilen und Gemeinden in und um München. Das SBZ am Hart war einer der beliebtesten dieser Parks und kann als der erste richtige Treffpunkt der Szene bezeichnet werden. Hier fingen einige Münchner Legenden an zu skaten. Unter ihnen auch ein junger Dennis Busenitz, Stefan Lehnert, Bernhard Kitvarametha oder Robinson Kuhlmann.
Im Winter ging man in die Skate and Fun-Halle am Ostbahnhof oder in die Action Area im Olympia Park, gleich neben dem legendärem Stone Park gelegen. Wenn man Glück hatte, ging man mit Hansi Herbig ein Foto schießen. Seinen Stuff bekam man im Boarders in Sendling oder beim Hansi im Goodstuff an der Münchner Freiheit, Schwabing. Letzterer lag direkt auf dem Weg in die EuroSkate-Halle, die 2010 leider schließen musste. Einen Ersatz gibt es bis heute nicht.
Die Schließung einer solchen Halle ist immer ein herber Rückschlag für die Szene. Selbiges gilt für Shops. Boarders und Goodstuff mussten in den Jahren danach ebenfalls schließen bzw. wurden aufgekauft. Der berühmte SPOT an der Schwanthaler Höhe wurde kurz danach ein Opfer der Münchner Justiz. Ein Anwohner klagte gegen die angebliche, permanente Lärmbelästigung. 2012 stand die Münchner Szene quasi mit leeren Händen da.
Allein der Münchner Obrigkeit die Schuld an diesem Dilemma in die Schuhe zu schieben ist leider ein wenig naiv. Schon immer galt die Münchner Skateszene als schwierig. Man hatte nicht viele Spots und Parks, und die wenigen, die es gab, wollten verteidigt werden. Kennt man die Eigenschaften eines Münchners, so verwundern einen die Geschichten von Fremden nicht: Griesgrämig, provinziell und arrogant seien sie, so lautet das Klischee. Der Zusammenhalt bei angekündigten Demos zur Schließung der EuroSkate oder vom SPOT ließ zu wünschen übrig. Es musste sich etwas ändern.
Parallel zu diesen Rückschlägen plätscherte das Münchner Skateboarding trotzdem irgendwie vor sich hin. Die Gemeinden außerhalb Münchens wussten nicht so richtig, wohin mit ihrem Geld und bauten einen Park nach dem anderen. Als Ersatz für den SPOT wurde für viel Geld der überdimensionierte Hirschgarten gebaut. Gemäß dem Trend entstand am Feierwerk ein sogenannter „Skate Plaza“.
Seine Boards holte man sich in Läden, in denen es auch Ski, Snow-, Surf- oder Longboards gibt. Ein bisschen Coverage von den üblichen Verdächtigen in diversen Mags gab es trotzdem. Getroffen hat man sich eher abends bei Robinson in der Bar. Die Essenz von Skateboarding suchte man allerdings vergebens.
Man kann also sagen, dass man Skateboarding in München bis auf wenige Ausnahmen eine gute Zeit lang hat schleifen lassen. Jeder hat sein eigenes Ding gemacht. Jede Crew war für sich, und keiner wusste so richtig, warum.
Fragt man Locals heute, dann ist der Tonus ein ganz anderer. Alles sei superentspannt und der Zusammenhalt so groß wie nie zuvor. Aber warum diese plötzliche Wandlung?
Einen wesentlichen Anteil hat sicherlich die Robinson-Kuhlmann-Bar am Gärtnerplatz oder kurz: die 14. Hier fanden kurz nach der Eröffnung die ersten Video-Premieren vom Goodstuff am Isartor, Titus, Boarders oder Boneless statt. Außerdem zeichnete sich der Laden immer mehr als Treffpunkt nach einer Skate-Session ab. Erstmals nach Jahren traf man wieder den einen oder anderen Homie von früher und tauschte sich aus. Die Bar wurde auch immer zur ISPO-Zeit als Location für Partys genutzt. Egal, ob vor oder hinter dem Tresen, man traf eigentlich immer einen Skater.
Kurz darauf wurde nach fast 20 Jahren der Goodstuff von einem weltweit agierenden Funsport-Großkonzern aufgekauft. Man kann heute sagen, dass das so etwas wie die Initialzündung für die Ideen von Simon „Esel“ Schöllhorn, Robinson Kuhlmann und Daniel von Mitschke war: Nämlich endlich wieder einen Core-Skateshop in München zu eröffnen. Das Gerücht machte dank der Bar und einer riesigen Sticker-Aktion schnell die Runde. Durch die Revitalisierung eines alten Blogs von Robinson und Daniel wurde fix ein Name gefunden, kurze Zeit später war in unmittelbarer Nähe zur Bar eine freie Ladenfläche gefunden.
Norbert Palicsak – Nollie FS Crooks Flip out
Das Lob gebührt aber nicht nur der 14 und dem SHRN. Schon vorher entwickelten sich verschiedene Ströme wie das Irregular Magazin, das seit geraumer Zeit über Skateboarding aus München und Bayern berichtet. Neue Brands wie Favorite und Salut Skateboards, Woodybunch oder Holidaylife Co. traten in die Fußstapfen der United Skateboard Artists und tragen einen ebenso wichtigen Teil bei wie einzelne Crews – so z.B. ehemals die Marvs, bottomline oder Ontime bzw. jetzt Marijuth oder die Crucrumas.
Wir haben wieder eine Hand voll junger Talente, die sich von den alten Hasen inspirieren lasen, alles wird festgehalten von einigen Filmern und Fotografen. Der Skateboard München e.V. wächst stetig und fungiert als wichtige Schnittstelle zur nicht immer skaterfreundlichen Stadt München. Hoffentlich wird ihre gute Arbeit bald durch eine Skatehalle belohnt, damit große Contests wie die X-Games oder der Munich Mash auch in Zukunft wieder in München stattfinden können. Weitere Höhepunkte dieser ganzen Ströme waren sicherlich die Go Skateboarding Days in den letzten beiden Jahren und der Bau des Theresienwiesen-Skateparks. Dort hat man gesehen, was möglich ist und wo die Reise hingehen sollte. Alle geben mächtig Gas und sind ohne Ende motiviert. Ganz ohne Beef. Ausruhen sollte man sich auf dem bisher Erreichten allerdings nicht, es gibt immer viel zu tun.
Aus Gesprächen mit der Industrie, den Mags, Skatern und Shops aus Deutschland und der ganzen Welt kommt immer wieder hervor, wie überrascht sie mittlerweile von München sind. Wir haben viele neue Freundschaften in Berlin, Deutschland und der ganzen Welt geschlossen. Ihr seids auf jeden Fall herzlich eingeladen, euch das Ganze auch mal anzuschauen. Bei uns kann man es nämlich ganz gut aushalten. Danke, Servus und habe die Ehre.
Text: Michael “Mixen” Wiethaus
Fotos: Leo Preisinger
Opener: Burny