Den Franzosen wird nachgesagt, sie hätten einen tollen Geschmack und einen guten Stil, und man muss ehrlich gestehen, dass das in vielerlei Hinsicht auch oftmals zutrifft. Joseph Biais ist ein Paradebeispiel, was das angeht: Er besitzt eine gesunde Trickauswahl, einen frischen Style, wenn er seine neonfarbigen Beanies trägt, und eine Prise Humor, wenn man ihn mit unterschwelligen Klischees konfrontiert. Mit einigen davon wollten wir im Rahmen eines Gedankenspiels im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft aufräumen – doch irgendwie lässt uns das Gefühl nicht los, dass das dann doch nicht so recht geklappt hat. Ein deutsches Interview mit einem Franzosen, der deutscher ist, als man denkt.
Hi, Joseph! Wie geht’s und wo bist du gerade?
Mir geht’s gut, ich sitze gerade in meiner Küche in meinem Pariser Apartment mit meiner Freundin. Sie ist aber keine Französin, sondern kommt aus San Francisco.
Bist du denn gebürtig aus Paris?
Nicht ganz. Ursprünglich komme ich aus einem Vorort im Westen, direkt in der Nachbarschaft von Versailles. Kennt eigentlich jeder, dort steht das berühmte Schloss. Mittlerweile bin ich aber in die City umgezogen.
Was machst du denn momentan im täglichen Leben?
Vor ca. anderthalb Jahren habe ich mein Studium beendet und bin seitdem eigentlich nur geskatet. Seit Kurzem arbeite ich nun für die SOMA (französisches Skatemag). Es gab intern einige Veränderungen, so hat z.B. Tura (David Turakiewicz) SOMA verlassen, um sich mehr um das Apropos (ebenfalls franz. Mag) zu kümmern und erst hieß es, es würde nicht weitergehen. Mein Freund Loic (Benoit), der Fotograf, ist dann eingestiegen und so bin ich auch dazugekommen. Hauptsächlich kümmere ich mich um Artikel für die Webseite. Und ich skate eben auch viel.
Dann sind wir ja quasi Kollegen! Macht’s dir Spaß?
Ja, sind wir. Es macht voll Spaß und es fühlt sich richtig an, über etwas zu schreiben, das man so gut kennt und wo man auch die Leute alle kennt. Auch wenn es anfangs etwas merkwürdig gewesen ist, das alles von der anderen Seite zu betrachten, schließlich skate ich seit Jahren und bin selbst des Öfteren in Magazinen vertreten. Momentan möchte ich aber beides machen, und ich glaube, es wird noch viel mehr Bock machen, wenn ich erst mal richtig drin bin.
Nun stell dir mal vor, du würdest nach Deutschland umziehen und deutscher Bürger werden. Wie würdest du dann heißen?
Haha, das wäre dann… lass mich kurz einen coolen deutschen Namen ausdenken. Meine Freundin sagt gerade Hans, das ist eine gute Idee! Obwohl, ich finde Heinrich noch besser. Ah: „Isch ’eiße Heinrich Heinzmann.“
Ach du sprichst also schon deutsch?
„Ein bischchen, isch ’abe für fünf or sechs Jahre gelernt, aba isch bin sehr, sehr schlecht. Isch kann verstanden, wenn es kommt zum Sprechen…“ Aber es ist nicht wirklich gut.
Wir können das Interview auch auf Deutsch machen!
„Nein, isch denke nischt.“
Aber das ist ja schon mal gut, damit wärst du ja schon mal beinahe deutsch. Also Heinrich Heinzmann, wo würdest du als Deutscher leben?
Auf jeden Fall in Berlin. Obwohl ich gestehen muss, dass ich in nicht besonders vielen Städten in Deutschland gewesen bin, trotzdem passe ich wahrscheinlich am besten nach Berlin.
Warum denkst du das?
Es ist recht günstig, besonders im Vergleich zu Paris. Und natürlich auch, weil die Skateszene ziemlich cool ist und einiges abgeht, außerdem habe ich dort Freunde. Berlin hat so viele Vorteile gegenüber anderen Städten (obwohl ich nicht dort gewesen bin). Aber ich würde sofort sagen: Berlin.
Wer wären deine deutschen Skatebuddies?
Da ich ja in Berlin wohnen würde, würde ich eigentlich Sylvain (Tognelli) sagen, aber der ist ja kein Deutscher. Obwohl, lass uns einfach sagen: er ist Halbdeutscher, also würde ich mit ihm abhängen und nur Deutsch sprechen, kein Französisch. Wahrscheinlich würde ich außerdem mit Hirschi abhängen, Daniel (Pannemann) und Jan Kliewer. Das wäre ein guter Start für meine neue, deutsche Crew.
Was wäre dein Lieblingsessen?
Der 1€-Falafel zu dem mich mal Sarah (Parson-Texas) gebracht hat, und Apfelstrudel – obwohl ich noch nie Apfelstrudel in Berlin gegessen habe, aber den liebe ich einfach.
Und dein Lieblingsgetränk?
Es gibt dieses Bier, „Berliner“, aber das mag ich nicht so gerne. Ich trinke am liebsten Paulaner und Jägermeister-Shots – classic.
Wie würdest du als Deutscher skaten?
Als Deutscher in Berlin würde mein Skating wahrscheinlich ungefähr genauso wie jetzt auch aussehen. Ich denke, die Pariser und die Berliner Skateszene haben viele Gemeinsamkeiten. Es wäre wohl identisch. Wobei ich wahrscheinlich besser in Skateparks skaten könnte, weil ich den ganzen Winter im Nike Shelter abhängen würde und am Ende doch noch gut in Skateparks werden würde.
Skatest du nicht gerne in Skateparks?
Doch, schon. Aber ich fahre am liebsten Street, da ich nie einen Skatepark in der Nähe hatte. Mittlerweile gibt es aber in den Pariser Vororten ein paar gute Parks, aber ich bin einfach mehr Streetskater. Also würde ich über die Winterzeit meine Skatepark-Skills ausbauen.
Was würdest du denn als deutscher Skater für Klamotten tragen?
Auf jeden Fall würde ich die ganze Zeit eine gerade Kappe von DC tragen, natürlich weiße iPod Kopfhörer und Klamotten von LRG. Und wahrscheinlich Cleptomanicx Underwear.
Was können die Franzosen von den Deutschen lernen?
Pünktlich zu Verabredungen zu erscheinen wäre großartig. Außerdem das Lernen der englischen Sprache bzw. von Sprachen generell. Deutsche sind da schon ein Stück voraus. Und natürlich, wie man supertechnische Tricks auf Contests macht.
Und was können die Deutschen von den Franzosen lernen?
Die Deutschen sollten aufhören, irgendwelche komischen Sachen in Croissants zu stecken. Für uns Franzosen ist ein Croissant etwas, das man morgens ohne etwas drauf isst, aber in Deutschland werden oft Schinken, Salat oder andere Dinge hinzugetan.
Was besitzt du denn sonst noch für Talente? Musik, Kunst, Sport?
Ich habe mal versucht Gitarre zu spielen, aber ich war zu schlecht. Meine Freundin spielt Schlagzeug, aber das steht natürlich auch nicht in unserer Pariser Wohnung. Manchmal habe ich Phasen, in denen ich irgendwas Kunstmäßiges mache. Dann fange ich etwas an, z.B. Fotografieren, und es kann sein, dass ich dann wieder sechs Monate lang gar nichts mache. Also eigentlich habe ich keine weiteren Talente, schätze ich.
Und nun bist du ein Skateboard-Redakteur! Hast du früher schon Texte geschrieben?
Hauptsächlich kam ich dazu, da ich viel Zeit mit Loic verbracht habe, denn er ist auch mein Teammanager bei Vans, für die ich schon seit einer Ewigkeit fahre. Wir waren schon superoft zusammen auf Tour und haben sehr viel Zeit miteinander verbracht. Als er dann bei SOMA mit eingestiegen ist, habe ich zu ihm gesagt, dass ich ja gerne mit Leuten rede und viele Geschichten höre. Da ich ja auch aus der neuen Generation bin und mich mit sozialen Netzwerken gut auskenne und viel sehe, hat es einfach perfekt gepasst.
Wie lange skatest du schon?
Ich glaube so 14, 15 Jahre mittlerweile. Es ist verrückt, wie schnell die Zeit vergeht.
Und du magst farbige Beanies?
Haha, ja, auf jeden Fall. Eigentlich kommt es nur daher, dass ich im letzten Jahr meine Haare abrasiert habe – und ich finde, dass es auf Fotos blöd aussieht. Dazu war auch noch Winter, während ich die meisten Fotos geschossen habe. Die orangefarbene Beanie habe ich allerdings wohl so um die sechs Jahre am Stück getragen.
Interview by Benni Markstein
Portrait: Loic Benoit