Tag: Music Makers

Erst vor wenigen Wochen ist ein mal angedachter Alternativ-Edit von Mark Gonzales’ Part aus dem ja recht alten „Real to Reel“-Video im Netz aufgetaucht – und als Musik hatte der alte Haudegen, obwohl er seine Schuhe im Part anschnauzt, statt good ol’ Tommy G., der es hinterher werden sollte, in dieser Version einen ganz seichten Track von Morrissey gewählt: „My Love Life“ aus den Neunzigern. Da zufällig in derselben Woche auch dieser Morrissey sein neues Soloalbum „World Peace Is None Of Your Business“ mit der gleichnamigen Single angekündigt hat, und auf diesem Album ein Track doch tatsächlich „Staircase At The University“ heißt, wurde uns schlagartig klar, wie lang diese Romanze zwischen Skateboarding und Morrissey-Songs nun schon währt – und wie viele Parts schon mit Songs von ihm oder seiner einstigen Band, The Smiths, unterlegt worden sind. Anders als der inzwischen 55-jährige Morrissey, der die Highlights und Feinheiten dieser Parts sicher genauso wenig erkennen würde, wie die Eigenarten der Frauenwelt – sein einziges Unterscheidungsmerkmal: „Some Girls Are Bigger Than Others“ –, haben wir 10 Klassiker ausgewählt und sie uns noch einmal etwas genauer angeschaut…

1: Arto Saari (Flip: „Really Sorry“)
Track: The Smiths – „Handsome Devil“
Während Morrisseys unverkennbare Stimme hier wieder mal gewohnt nah am Kontrollverlust über den recht unspektakulären Songteppich segelt, hat Arto, selbst ein „Handsome Devil“, natürlich alles unter Kontrolle, und wenn der Sänger dann in seinem perversen Kinder-Verführer-Text davon träumt, wie er dem Jungen an die Milchdrüsen geht – „oh, let me get my hands/on your mammary glands“ – ist es um so wichtiger, dass Arto per Riesen-Nollie schnell das Weite sucht.

2: Wieger von Wageningen (Nike SB: „Nothing But The Truth“)
Track: The Smiths – „A Rush and a Push and the Land is Ours“
Die feuerrote Mähne im Wind, schön die Offbeat-Nummer dazu, hat Wieger wohl bewogen, diesen The-Smiths-Song zu wählen, weil’s beim Hubba Hideout – kurz vor Schluss seines Parts – immer alles so verdammt schnell gehen muss: Losgerannt, noch einmal schnell pushen, BOOM, gelandet, und das Territorium gehört ihm. Morrissey hätte ihm dafür sicher einen Klaps gegeben. Wohin haben wir nicht gesagt.

3: Kris Markovich (Color Video)
Track: The Smiths – „Bigmouth Strikes Again“ (Tree People Coverversion)
Das rosa (!) T-Shirt, dazu die Mega-Pants, die fiese Matte auf dem Kopf – und eine Coverversion von „Bigmouth Strikes Again“ (The Smiths), gepaart mit Hochgeschwindigkeits-Stunts, fettesten Gaps und ein paar dezent eingestreuten Slams. „Sweetness, sweetness/I was only joking/When I said I’d like to/Smash every tooth in your head“, so die erste Textzeile, mit dem kleinen Unterschied: Kris hat damals garantiert keine Witze gemacht. Wahrscheinlich nicht mal in der Szene, wo er seinem Teamkollegen Kyle Yanagimoto eine klebt. Morrissey hat die Verwendung des Originaltracks wahrscheinlich nur deshalb abgelehnt, weil er Markovichs Frisur so schlimm fand: „Long hair is an unpardonable offense which should be punishable by death“, hat der Gute mal gesagt, und ähnlich hart: „I do maintain that if your hair is wrong, your entire life is wrong.“

4: Heath Kirchart (Alien Workshop: „Mind Field“)
Track: Morrissey – „Speedway“
Greg Hunt hat uns mal über diesen Part verraten, dass er ehrlich gesagt nie damit gerechnet hätte, dass Morrissey sein OK dafür gibt – zum Glück kam es doch so: Was später sogar zu einem epischen Re-Edit inkl. Live-Footage des Sängers führen sollte, zeigt a) dass man echtes Tempo (daher: „Speedway“) nur mit ganz episch-entschleunigten Tracks passend unterlegen kann, und b) dass auf einen Face-Slam nur das „anymore“ aus folgender Zeile passt: „and when you try/to break my spirit/it won’t work/because there’s nothing left to break/anymore.“

5: Spanky (Baker Skateboards: „Baker 3“)
Track: Morrissey – „Glamorous Glue“
Eher so die Rocksau-Nummer, die sich Kevin Long, die alte Rocksau von The Goat and The Occasional Others, da ausgesucht hat, was er wahrscheinlich nicht gemacht hätte, wenn er über die Zukunft im Bilde gewesen wäre: Ein paar Jahre später stürmte Spanky bei einem Konzert im Hollywood Bowl mit Dustin Dollin und Co. auf die Bühne, um Morrissey im Suff zu umarmen – das Resultat, für das er sich immer noch schämt, ist sogar im offiziellen Video zur Morrissey-Single „That’s How People Grow Up“ zu sehen. Nach dem unrühmlichen Abtransport von der Bühne gab’s auf dem Parkplatz obendrein noch ein paar Schläge vom Bouncer, aber zum Glück kann Spanky ja auf Kommando in Tränen ausbrechen, was Schlimmeres verhindern sollte.

6: Keenan Milton (Girl: „Yeah Right!“, Bonus-Section)
Track: Morrissey – „Sunny“
Über Legenden, womit wir jetzt Keenan meinen, nicht Morrissey, der tatsächlich als lebende Legende gehandelt wird, macht man keine Witze – also sagen wir’s mit „Sunny“: „Oh, well, you punched and fell/Then you felt embarrassed/My heart goes out to you/So I offered love/And it was not required/Oh, what else can I do?/What else can I do?“

7: Credits-Section (Big Brother: „Crap“)
Track: Morrissey – „Lucky Lisp“
Ein besseres Musikvideo als diesen Part der ultralangen Credits-Section von „Crap“ hätte Morrissey für diesen Song selbst nicht machen können – darin zu sehen unter anderem: Kackhaufen auf Tail, dann voll auf die Nose getreten; kleiner, liebevoller Ass-Slap mit einem neuen Deck, Gewehrschüsse auf Skateschuh-Haufen, Brüste, Achterbahngeschrei, Brüste, Scott Johnston bei Porn-Awards, Brüste, und in Blut getränkte Big-Booty-Bitches, über die ein Benihana gemacht wird. Spätestens letzterer hätte selbst Morrissey garantiert die Frisur ruiniert.

8: Forrest Kirby (MIA Skateshop: „Welcome To MIA“)
Track: Morrissey – „The Last of the Famous International Playboys“
In „Static“-Meister Josh Stewarts „Welcome To MIA“, einem Shopvideo aus Florida, gibt’s einen Switch BS Wallride von Mr. Kirby, bei dem ein Hund ins Bild gerannt kommt, ähnlich wie die olle Töle auf dem Cover von Morrisseys neuem Album also, die ja wahrscheinlich nur im Bild ist, weil Tollen und Tölen so gut zusammen aussehen. Besser auf jeden Fall als das speckige Baby, das er für sein Vorgängeralbum wohl nur deshalb aufs Cover gebeten hat, weil ihn kurz vorher doch tatsächlich ein anderer Hund gebissen hatte. Mr. Asexuell wollte die Hundewelt schlichtweg eifersüchtig machen, eine andere Art der Rache kommt für einen Vegetarier schließlich nicht in Frage.

9: Chris Pulman (Heroin Skateboards: „Live From Antarctica“)
Track: Morrissey – „Why Don’t You Find Out For Yourself“
„You’ll never believe me, so/Why don’t you find out for yourself?“, beginnt dieser Song – und weil wir hier kaum noch Platz haben und ihr uns ja eh kein Wort davon glauben werdet, belassen wir’s gleich dabei!

10: Mark Gonzales (Krooked: „Gnar Gnar“)
Track: The Smiths – „You’ve Got Everything Now“
Womit wir schon wieder bei The Gonz gelandet wären: Das Fisheye kommt ihm kaum hinterher, und wo wir hier so langsam alles zum Thema Morrissey und The Smiths gesagt haben, ist „You’ve Got Everything Now“ das vielleicht beste Beispiel für diese seltsame, dauerhafte Verbindung, die zwischen Skateboarding und der Musik dieses Mannes besteht: So unterschiedlich sie auch sein mögen, haben all diese Tracks etwas Offen-Undefiniertes, etwas Schizophrenes, etwas Tänzelndes, bewusst gewählte Ansätze von Kontrollverlust; sie halten die Balance zwischen harter Realität (Abgründen, Gaps), spielerischer Kunst und Selbstinszenierung – alles Dinge, die letztlich auch Skateboarding ausmachen – und ganz besonders natürlich das von The Gonz. Wir düsen dann mal wieder los: „I just want to be tied, oh/To the back of your car“.



We Are The Music Makers, We Are The Dreamers Of The Dreams
Favorites Revisited mit Cpt. Cracker

Skater sagen, was sie hören… Wir sagen, was wir darüber denken

01: Oddisee – „The Gold Is Mine“
Wir denken: Natürlich hat der Kapitän ein Anrecht auf das meiste Gold, aber dieser DC-Rapper Oddisee hier, schön den Nineties-Spirit im Gepäck, ist eigentlich nichts gegen diejenige Odyssee, die Christian Roth durch die Welt der Fotografie, des Skateboarding, durch den Mob-Sumpf von Gießen und Umgebung usw., also durch die Welt ganz allgemein im letzten Vierteljahrhundert seines ja irgendwie schon recht langen Lebens hingelegt hat. Erwartet hätten wir eher was von Mobb Deep, von seinem Namensvetter David Lee, von irgendeinem Henry (Rollins?) oder von Skinny Norris oder natürlich von Spoon, aber was will man machen: Der stetige Aktualitätsdrang verdrängt schon mal das ewig Gute und lässt alles Jüngere glänzen wie Gold, und das sei einem alten Haudegen wie Mr. Cracker natürlich auch gegönnt. Das Gold ist also seins. (PS: Cracker made me write this).

02: Josh Ottum – „Who Left The Lights On“
Wir denken: Jesus, den hatten wir gar nicht auf dem Schirm, aber wer kennt auch schon Tapete Records in Glattspachtelzeiten wie diesen? Ob das Lichtlein beim Josh auch heute noch brennt, ist gar nicht klar, wahrscheinlich ist’s ein persönlicher Buddy um zwei Ecken, bekannt vielleicht mit Leuten aus jener Zeit, als Monsieur Cracker noch Videoclips machte für so Deutschrap-Gedöns aus HH-City (Bo, Dynamite, Fettes B. & Co.), wobei das wohl noch früher war, kurz nach dem Zwischenfall in Hollywood, als er es als „that German Hilfskraft“ am Set zu „Being John Malkovich“ immerhin geschafft hat, sich am Esstisch neben Cameron Diaz nicht ganz daneben zu benehmen. Zurück in Gießen ging’s dann ja auch schon los mit dem Mob – was den Captain ja quasi zum deutschen Spike Jonze macht, wenn man es genau nimmt: Fotografiert, filmt, skatet, gründet Firma… you know the deal. Aber lief nicht bei den Spoon-Partys damals immer so Curtis-Mayfield-Sound?

03: Owen – „The Sad Waltzes of Pietro Crespi“
Wir denken: Statt „Steady Mobbin’“ also Kuschelfolk-Pop, der sich wie eine Schulter zum Anlehnen anfühlt: Wie der Abspann eines versöhnenden Kinofilms, auf den wir insgeheim noch warten von Mr. Roth, die Story schön wirr und verwegen und auf überraschende Gelegenheiten abgestimmt, wie sein eigener Lebenslauf, dazu eine Extraschippe Entropie und Ungewissheit wie beim Institute of Sociometry, so etwas in der Art also. Aber vielleicht war der Hollywood-Abturn einfach zu krass, wer weiß, oder die Location Hollywood damals einfach zu „normal“: Schließlich lässt dieser Captain hier ja auch eher andere Fotografen ihre schillernden Vernissage-Nächte in London, Paris, New York oder sonst wo feiern, er hingegen bricht lieber nach Heilbronn auf stattdessen – Vutucs Mama hat schließlich den Kuchen im Käthchen-Kaff schon bereitgestellt! Aber warum auch nicht: Die Gelegenheit war da – und „Voll Bock“ hatte er natürlich auch!

04: Ike & Tina Turner – „Game Of Love“
Wir denken: Sein eigenes „Game of Love“ hat ja schon vor Jahren Nachwuchs hervorgebracht, der sich mit den Herren Maske und Sanchez den allerbesten Vornamen teilt, und dem kann er dann ja vielleicht Großvaters Erbe (diese Kamera, die inzwischen gecrackte) irgendwann einmal weitervererben. So gesehen ist man also doch nicht nur monogam „married to the Mob“, sondern auch so „married“ mit rund 17 Jahren gemeinsamer Vita, nur was sagt der Nachwuchs denn wohl eigentlich zu den eigenen Plattenreleases von damals? Hüstel? „Mopedland“ anyone? Das Cover dieser Scheibe, das wissen wir aus eigener Erfahrung, gefällt auf jeden Fall auch der Generation unter zwei, und unter zwei war der heutige Ü-40er auch, als die alte Frisurenlöwin Tina mit Ike diese Nummer hier aufgenommen hat. Unglaublich viel ist passiert seither in dieser „wahnwitzigen Biografie“ – die Yoyos kamen und gingen, die Armbänder vom Klaus, die Zeit als „The German“ in Cali mitsamt Klapperschlange, die Filme von Hal Hartley, die Zeit als Wohnzimmer-Cousteau, ein Vorreiter von „A Life Aquatic“… ganz zu schweigen von rund 25.000 Negativen, die sich inzwischen angehäuft haben müssten. Skateboard und Kamera, zwei ewige Begleiter, wobei Skateboard: Was seine aktuellen „Game of SKATE“-Skills angeht bzw. wie es darum heutzutage steht, verschweigen wir an dieser Stelle einfach mal, würde ich sagen. Aber sein anderes Board is’ ja auch ein Cruiser…

05: JJ Doom – „Rhymin’ Slang“
Wir denken: Zum Schluss noch ein wenig zeitgenössischer Alt-Hop, und zwar vom immer todsicheren Doom, zusammen mit dem immer unterschätzten Jneiro Jarel, gute Männer, und Doom hat Mr. Mob ja auch schon fotografiert (wie übrigens auch Prince Paul, den hätten wir natürlich auch gerne hier gesehen). Während wir die Akte Gießen mitsamt dem analogen E-Klo also so langsam wieder schließen, noch ein Wunsch an den harten Hund: Wie wär’s denn mal wieder mit einem musikalischen Projekt, vielleicht aus dem noch undefinierten Freak-Wave-Genre? Als Albumtitel, wenn’s doch eher in Richtung Rap geht, vielleicht „Stadt Lahn II“? Featuring Top Dog? Ben Wes als gut frisierter Gast an den Wheels aus Stahl? Würde sich bestimmt gut verkaufen, besonders mit den Connections, schließlich fehlt zum Ehrendoktorat an der FH Dortmund sicherlich nicht viel (und die Connections zu den Bars in der Stadt stimmen doch sicher auch noch?), und überhaupt: vielleicht sollte man die Sache mit dem „Schuld war nur die mp3“ einfach noch mal im Feldversuch widerlegen. Was wir sagen wollen: Wir glauben an dich, Cracker! Gründe dein eigenes Mopedland! Automatisiere deine Kontrollverluste! Keep mobbin’, steady mobbin’!

Foto: Carlotta Rakete
Text: Renko Heuer