Skateboard-Theorie braucht eigentlich kein Mensch. Und doch drifteten meine Gedanken in diese Richtung, als ich im Internet über den Fußballphilosophen und Weltmeistertrainer César Luis Menotti und seine Theorie vom „linken und rechten Fußball“ stolperte.
Denn tatsächlich frage ich mich häufig, warum beim Skaten oft simple Kleinigkeiten die Macht besitzen, dich vollkommen zu elektrisieren oder aber total abzuturnen: Die spontane Kreativität von Blender, ein Ollie von Jessee, ein Push von Busenitz, ein „Charge!“ von Oski… gegen stumpfes Trick-Abgespule ohne Herz und Verstand, unreflektiertes Banger-Geballer, Unstyler oder Fremdschäm-Gelaber von Blendern…
Aber zu Menotti: Dieser war nämlich Feuer und Flamme für den linken Fußball. Ihm zufolge orientiert sich dieser nicht nur am Sieg, sondern auch an Schönheit und Ästhetik. Wohingegen der rechte, so Menotti, den Blick lediglich aufs Resultat wirft. Dieser sei uninspiriert und zweckendfremdet. Die Spieler werden in ein Systemkorsett gepresst, das in erster Linie dazu diene, die Fantasielosigkeit und mangelnde Inspiration seiner Vertreter zu verbergen.
Die Ansichten des Argentiniers ergeben, wie ich finde, viele Parallelen zur Rollbrettkunst – was nicht nur daran liegt, dass dieser gerne „auf der Bank saß und 50 Zigaretten rauchte“, wie es Reals blonder Engel, Bernd Schuster, einmal beschrieben hat.
Denn wie Menottis linker Fußball, feiert auch spicy Skateboarding die Intelligenz und fördert die Fantasie. Werte, die zum Beispiel auch dieser blonde Engel auf dem Bild hier vertritt – nämlich Kunst und Schönheit durch geniale Einfachheit.
Ob Skateboarding oder Kicken: ein fehlerloses, aber eben auch einfallsloses System verbreitet Langeweile und dient nur dazu, Mittelmäßigkeit zu verbergen. „Inspire others to inspire themselves“. Oder wie hier: „I believe (in) you!“
Und es geht noch weiter, denn Menotti meint etwas nebulös: „Die Welt der Utopien ist gestorben. Wir leben in einer Nützlichkeitsgesellschaft, und da ist der Fußball zur Welt der großen Geschäfte verdammt. In der Dritten Welt nimmt man den Menschen das Brot, in den Industrienationen stiehlt man ihnen die Träume.“ Und das lässt sich doch auch ohne Weiteres auf die immense Reizüberflutung und die Abstumpfung übertragen, die uns Dutzende täglich erscheinende Mittelmäßigkeitsclips bescheren.
Doch glücklicherweise gibt es ja Orte wie die PLACE die sicherstellen, dass bei uns am Ende mehr zählt als nur der Sieg, das geschossene Tor; wir können auch der spektakulären und schönen Aktion, die zum Pfostentreffer führt, etwas abgewinnen. Denn mit fantasielos errungenen Siegen Bangern kann man die Herzen der Menschen nicht erreichen.
Dieser Beitrag von Jan Kliewer findet sich in unserer Jubiläumsausgabe, die du hier bestellen kannst.