Sam Partaix, Bastien Duverdier, Nassim Guammaz, Kris Vile, der Fotograf Davy Van Laere, Spotguide Malte Spitz und TM Danny Wainwright auf Streifzug durch die Straßen Berlins.
Wer im Fremdwörterlexikon das Wort „Vagabund“ nachschlägt, erfährt dort, dass ein Vagabund ein Herumtreiber und Landstreicher ist. Ein Herumtreiber ist jemand, der herumkommt, weil es ihn treibt – so sollte man meinen; vom Wort her könnte es aber auch jemand sein, der irgendetwas oder irgendjemanden herumtreibt, wie zum Beispiel ein Hirte, der seine Kühe, Ziegen und Schafe in der Gegend umhertreibt. Aber vermutlich ist mit Herumtreiber eigentlich ein Herumgetriebener gemeint.
Vagabund kommt von vagare. Das kommt aus dem Lateinischen und heißt „herumstreifen“. Da kommt also eine Horde Skater, namentlich Sam Partaix, Bastien Duverdier, Nassim Guammaz und Kris Vile in unsere Hauptstadt, und treibt sich herum, beziehungsweise wird von dem Lokalmatador Malte Spitz herumgetrieben. Womit schon mal klar sein dürfte, dass das Leben als reisender Skater dem eines Vagabunden ähnelt – die Sache mit den Tieren lassen wir hier einfach mal außen vor.
Bastien Duverdier – 50-50 to Wallride
Dass wir, und damit meine ich das skatende Volk, eher selten in den nobelsten Straßen und Neubaugebieten unterwegs sind, ist ja keine Neuigkeit, denn so richtig urban und fotogen wird es erst in den dreckigen Nebenstraßen und/oder auf den unzähligen Umwegen dorthin. Was man dann in solchen Ecken antrifft, hat auch meistens kein Konto in der Schweiz und kein Boot im Hafen von Monaco.
Man hält sich außerordentlich oft und lange in Gegenden auf, die von Obdachlosigkeit, Drogenkonsum jeglicher Art und beschmierten Wänden dominiert sind. Davon lässt man sich in gewisser Weise natürlich auch inspirieren und man fühlt mit der Situation und ihren Darstellern – auf das mit dem Konsum wollen wir jetzt mal nicht weiter eingehen…
Berlin zeigt oft kontrastreiche Kulissen, was mit der starken und fast völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Mal Altbau, mal Neubau, mal beides unmittelbar nebeneinander. Es gibt somit genügend Schlupflöcher und Plätze zum Abhängen für ein ausgiebiges Vagabundenleben. Ein Jungbrunnen sieht ganz und gar anders aus, und deine dreckigen Hände wirst du auch nicht so schnell wieder los.
Ein Vagabund hat sehr markante Charakterzüge, und fast täglich kommen neue Narben dazu – der körperliche Abbau steht auf der Tagesordnung und auch der Griff zur Flasche zählt zu den Merkmalen. Der Vagabund betäubt sich gerne und ist auch anderen, stärkeren Substanzen oft nicht ganz abgeneigt. Das wiederum bezieht sich nicht zwingend auf die Sorte Skater, da ab und zu auch ein wenig Körperkontrolle gezeigt werden muss. Das Musizieren ist ein weiteres Hobby eines Vollzeit-Vagabunden.
Stellen wir uns doch mal einen Vagabunden vor: Ein zerfetzter Hut, dreckiges Hemd, zerlöcherte Schuhe und eine Mundharmonika oder eben auch eine Gitarre im Arm. Setzen wir also einen Bastien Duverdier oder Sam Partaix neben einen wahren Vagabunden, sieht man doch kaum noch einen Unterschied. Im Gegenteil: Da sind handfeste Parallelen zu entdecken. Wenn du auf Wikipedia den Begriff Vagabund eingibst, steht dort, dass das die Bezeichnung für einen Angehörigen des fahrenden Volks (auch „fahrende Leute“) sei.
Das passt doch wie die Faust aufs Auge. In der Definition des fahrenden Volkes steht weiterhin: „Heute reduziert sich eine folklorisierende Verwendung von ‘Fahrendes Volk’ auf Nachfahren historischer Gruppen, wie sie im Schausteller-, Zirkus- und Landfahrermilieu anzutreffen sind. Diese bezeichnen sich selbst als Reisende.“ – Lasst uns alle Vagabunden sein!
Text: Daniel Pannemann
Fotos: Davy van Laere