Es ist 9:30 Uhr in Deutschland. Während der Bauarbeiter gerade sein Knoppers isst – oder vielleicht doch eher eine Mettstulle –, ist unser Interviewgast ebenfalls schon längst auf den Beinen. Trainiert der gebürtige Stuttgarter etwa seine Kickflips? Muss er bei Adidas in der Fabrik Streifen auf seine Schuhe nähen? Oder ist er noch wach vom Rave am Wochenende? Nichts von alledem: Der 24-jährige Halbitaliener steht uns in diesen Montagmorgenstunden zum Interview bereit, und auch wenn er eher ein stilles Wasser ist, hat er doch einiges zu sagen und eine eigene Meinung, die ihr euch nach den folgenden Zeilen auch über ihn machen könnt… Willkommen zu Stuttgart’s Finest in Sachen Haarpracht und Flick: Das Sandro Trovato Interview.
Guten Morgen, Sandro, was geht ab?
Boah, ich bin schon seit sechs Uhr wach, ich musste zum Automaten ein paar Passfotos machen, weil mein Personalausweis abläuft. Schön verpennt sehe ich da auf den Fotos aus, hehe.
Woran das wohl liegt? Vielleicht am Wochenendprogramm? Was war da los?
Mein Wochenende war heftig. Ich war zweimal gut feiern. Am Samstag war ich auf einem Geburtstag von einem Freund, und am Freitag war Lems Pro-Party im Mata Hari. Beides mal eben richtig drunk, das merke ich noch heute.
Wie war’s bei Lems Party?
Lem wusste ja gar nichts davon, es sollte ja eine Überraschung werden. Wir haben ihn nach dem Skaten einfach dahin mitgeschleppt. Es sind sogar extra ein paar Cliché-Fahrer eingeflogen und Jeremie Daclin (Inhaber von Cliché). Wir sind dann in den Laden rein, sind bis nach hinten durchgegangen, und da standen da schon zig Fotografen. Als nächstes hat er dann sein Board in die Hand und einen Kuchen ins Gesicht gedrückt bekommen. Das Coole war eben, dass wirklich alle Stuttgarter Skater am Start waren, was echt selten ist. Und natürlich gab es reichlich Free-Drinks, deshalb wurde es eine feucht-fröhliche Nacht.
Kickflip FS Boardslide
Pusht dich das, irgendwann mal selbst Pro zu werden, wenn du siehst, dass es ein Freund von dir geschafft hat?
Ich bin eigentlich recht zufrieden mit dem, was ich bisher erreicht habe im Skaten. Klar würde ich es gerne noch weiterbringen, denn ich bin ja auch schon etwas älter…
Naja, 24 ist jetzt kein Alter. Lass dir das gesagt sein.
Stimmt schon. Aber ich würde es gerne noch ins richtige Deutschland-Team schaffen – sowohl bei Trap als auch bei Adidas. Aber ich mag es, dass ich so skaten kann, wie ich will, und ich möchte mir auch keinen wirklichen Druck machen müssen deswegen.
Ich habe gehört, dass du mit Fitschi zusammenwohnst. Wie kamt ihr beide denn zusammen?
Der Fitschi ist vor zwei Jahren mal nach Stuttgart gekommen, als ich noch in einer Fünfer-WG gewohnt habe. Er war dann ein paar Wochen bei uns auf der Couch und nach einiger Zeit hat er sich ein Zimmer, wenn man es so nennen kann, in unserer kleinen Speisekammer eingerichtet. Also wirklich nicht größer als drei Quadratmeter. Wir haben einen Mitbewohner, den wir sowieso nicht mehr wollten, rausgeekelt und Fitschi wurde offizielles Mitglied. Dann haben wir dort noch ein Jahr zusammengewohnt, und dann haben wir uns entschlossen zusammen eine neue Wohnung zu beziehen.
Und kommst du gut mit ihm klar? Ihm wird ja manchmal eine gewisse Verpeiltheit nachgesagt…
Es läuft super, und er ist wirklich ein ordentlicher Mensch, man kann es kaum glauben…
Lebt ihr die Tradition vom #maennerwohnheim weiter in eurer Wohnung? Erklär doch mal kurz, wie das zustande kam.
Das Hashtag #maennerwohnheim entstand auf der Arrow & Beast-Tour in San Sebastian. Auf unserer Etage im Hostel waren eben nur Männer, und am Ende der Tour war das Zimmer total zerstört. Und alle Fotos der Tour wurden mit dem Hashtag versehen. In Stuttgart haben sich unsere Abende in der Fünfer-WG dann in dem Stil fortgesetzt, aber jetzt in der Zweier-WG geht da natürlich nicht mehr so viel. Außerdem habe ich jetzt eine Freundin.
Kickflip Nosemanual to Nosemanual
Bist du eher der Langzeitbeziehungstyp oder gehen die Ladys bei dir ein und aus?
Ich hatte eine fünfjährige Beziehung, dann war ich ein Jahr Single, und jetzt seit vier Jahren wieder unter der Haube.
Also, Ladys: Sandro ist leider vergeben! Aber nimmst du die etwa mit zum Feiern?
Ja, meistens schon.
Du bist ja ein richtiger Gentleman.
Trotzdem bleiben wir dem #maennerwohnheim treu.
… das bedeutet, ihr geht weiterhin jedes Wochenende schön einen saufen?
Ich bin gerade nicht mehr so in Partystimmung, muss ich zugeben, da ich echt ein bisschen zu viel gefeiert habe. Da Stuttgart nicht ganz so groß ist, trifft man auch immer dieselben Leute und landet in denselben Clubs. Deshalb trete ich da etwas kürzer im Moment.
Zeit hättest du ja: Du hast dein Studium „Druck- und Medientechnologie“ abgebrochen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich habe nach vier Semestern einfach gesehen, dass dieser Berufsweg nichts für mich ist. Da habe ich halt die Notbremse gezogen und aufgehört. Ich habe da einfach nicht meine Zukunft gesehen.
Und jetzt? Wie lautet der Plan?
Ich würde gern eine Ausbildung zum Ergotherapeuten machen – oder bei der frisch gegründeten Arrow & Beast-Distribution zum Salesmanager. Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht. Aber ich würde schon versuchen, irgendwie in der Skatebranche zu bleiben.
Du skatest jetzt seit 10 Jahren. In dieser Zeit fand eine starke Entwicklung im Skateboarding statt. Wie denkst du darüber?
Ich finde es manchmal schlimm, dass es heutzutage nur noch um die Medien geht. Viele Kids gehen nur noch los, um etwas zu filmen. Früher hatte ich das Gefühl, dass man sich eher getroffen hat, um eine coole Session zu fahren. Heute ist alles geplanter, mit dem Ziel Footage zu sammeln. Dadurch geht die Seele und der Grundgedanke des Skateboarding ein bisschen verloren. Anderseits bekommen wir alle ein kleines Stück vom Kuchen ab. Ich bin da irgendwie zwiegespalten. Aber so ist es nun mal. Ich will auch nicht meckern.
Kannst du auch nicht. Schließlich hast du ja bei uns ein Interview. Es geht ja viel ums Image. Dennoch: Letztens war bei uns in der Redaktion die Diskussion bzw. die Frage, warum es in Deutschland nicht so etwas gibt wie Palace, Magenta oder Polar. Fehlt Deutschland die Authentizität im Skaten?
Palace Skateboards machen ihr eigenes Ding und spiegeln dabei perfekt den Vibe von England bzw. London wider. Bei den deutschen Marken habe ich immer das Gefühl, dass sie sich woanders etwas abgucken anstatt was Deutschlandbezogenes zu machen. Wenn ich mir da TPDG angucke, die so aussehen, als kämen sie aus New York, obwohl es eine deutsche Company ist, finde ich, man sollte lieber versuchen, was eigenes aufzubauen. Und ich glaube, das ist ein Grund dafür, warum solche Brands außerhalb von Deutschland nicht wirklich ankommen.
Kickflip FS Noseslide
Du hattest ja einen coolen Adidas-Part mit Lem zusammen. Was stehen bei dir noch für Projekte an dieses Jahr?
Ich will zum Ende des Jahres auf jeden Fall noch einen Part fertig haben. Das ist eins meiner Hauptziele. Und in ein paar Wochen kommt auf Redbull Skateboarding ein Check-Out-Part von mir, da freue ich mich drauf. Ansonsten würde ich wie jeder Skater gerne noch nach Amerika, um einfach mal zu sehen, wie hart manche Spots sind. Aber das muss nicht unbedingt dieses Jahr noch passieren. Europamäßig würde ich gerne mehr in den Osten. Da gibt es noch unzählige Spots, und wenn man ehrlich ist, ist der Rest von Westeuropa auch schon ziemlich ausgelutscht, was die Spots angeht.
Wenn ich mir die Tricks in deinem Interview angucke, habe ich das Gefühl, du kannst eigentlich überall, wo du einen Ollie reinmachst auch einen Kickflip machen…
Gut erkannt. Das ist tatsächlich so. Wenn ich merke, dass ich in einen Grind per Ollie reinkomme, ist der nächste logische Schritt für mich, es per Kickflip zu versuchen.
Das Problem hätte ich auch gern. Aber dafür kannst du keine Heelflips?
Doch, Heelflips gehen auch. Nur nicht irgendwo runter, aber im Flat sitzen die auch perfekt.
Und womit kann man dich im Game of Skate vernichten?
Das wäre dann der Hardflip. Das ist genau der Trick, den ich niemals raffen werde. Genauso wie Inside Heelflips. Die kann ich nur switch. Aber Hardflips macht ja sowieso jeder, da find ich’s gar nicht schlimm, dass ich ihn nicht kann.
Du bist seit einigen Jahren auf Trap und Adidas. Wie bist da an deine Sponsoren gekommen? Sponsor-Me-Tape?
Das lief eigentlich immer so, ganz ohne Sponsor-Me-Tape. Ich habe vor einigen Jahren den Kilian Heuberger kennengelernt, und er hat sich eingesetzt dafür, dass ich bei Trap unterkomme. Bei Adidas war es der Jascha, der irgendwann angefangen hat, mir Schuhe zu geben. Und das läuft super. Torsten und Jascha kümmern sich wirklich super um mich. Ich muss aber auch Andi Welther danken, der mich vorher mit Emerica versorgt hat, bis die dann ihr komplettes Team kicken mussten aufgrund der Wirtschaftskrise.
Bist du eigentlich im Deutschlandteam von Adidas? Ich blicke da manchmal nicht so durch.
Das Adidas-Team Deutschland ist aufgeteilt in ein A-, B- und Flowteam. Und ich bin momentan im B-Team. Torsten hat mir aber gesagt, dass die Chancen auf das Upgrade ins A–Team sehr gut stehen, wenn ich einen guten Job mache.
Kickflip BS Tailslide
Na, hoffentlich hilft dir das Interview zu deiner Beförderung! Ich habe mal gehört, du warst recht gut im Fußball, bevor dich das Skateboard gepackt hat…
Ja, ich habe lange Zeit gekickt, bis ich 14 war. Ich war sogar in der Donau-Bezirksjugendauswahl. Dann habe ich aber auch mit dem Skaten angefangen und stand vor einer recht großen Entscheidung. Mein Trainer rief mich damals an und stellte mich vor die Entscheidung: Fußball oder Skaten. Da ich sowieso schon öfters beim Auswahltraining gefehlt hatte, weil ich skaten war, war die Sache klar für mich. Ich sagte, dass ich mich für Skateboarding entschieden hätte. Er meinte, ich soll noch eine Nacht drüber schlafen, aber für mich war die Entscheidung gefällt. Ich mochte Skaten direkt viel mehr, weil ich keine festen Zeiten hatte und mich einfach freier entfalten konnte. Sonst wäre vielleicht ein großer Kicker aus mir geworden – nicht!
Du hast ja italienische Wurzeln. Wer ist denn Italo? Mom oder Dad?
Mein Dad ist Italiener, der wohnt auch dort. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich zwei Jahre alt war. Mein Dad ist aber bis ich ungefähr 10 war in Stuttgart geblieben, und wir haben auch immer noch Kontakt. Ich bin bei meiner Mama groß geworden, der ich auch immer wieder danken will, dass ich soviel Freiheit genießen durfte. Meine Großeltern sind da schon schwäbischer drauf und sagen mir gern mal, dass ich doch gefälligst was Vernünftiges machen soll, hehe.
Wir finden jedenfalls: Skateboarding war die richtige Entscheidung! Sandro, danke, dass du dir Zeit genommen hast. Willst du noch irgendwelche Leute grüßen?
Vielen Dank an Place für das Interview, meine Mom, meinen Dad, Jascha, Torsten, Lem, Andi, Arrow & Beast, Trap, Adidas, meine Freundin, Stuttgart und alle meine Homies und Freunde. Ihr wisst, wer ihr seid.
By Sebi Vellrath
Fotos: Daniel Wagner